«BAUSTELLE» – Wenn Zimmermänner Theater spielen…

Beim Theaterstück BAUSTELLE geht es zünftig zur Sache. «Echte» Bauarbeiter (darunter gleich mehrere Zimmermänner!) schlüpfen in die Rolle von Schauspielern. Doch wie nähert man sich als Handwerker der Rolle als Bühnenschauspieler? Wo liegen die grössten Herausforderungen?

Interviews: Susanne Lieber / Bild: Rachel Bühlmann

Die drei Zimmermänner Thomas Flückiger, Dave Schellenberg und Oliver Wetzel berichten – ergänzend zum Interview mit Projektleiter Jonas Egloff in der Printausgabe «WIR HOLZBAUER» (1.24) – wie sie ihren Rollentausch erlebt haben.

Die nächsten Vorstellungen finden übrigens in der Reitschule Bern vom 21.-23. März (jeweils 20 Uhr)  statt. Tickets und Infos unter: buehne-aarau.ch

 

Drei Zimmermänner im Interview:

 

Name: Thomas Flückiger
Alter: 68 Jahre
Geburtsort: Schöftland (AG)
Werdegang: Zimmermannslehre, Magaziner, Zimmermeister
Betrieb: früher selbstständig (Kleinstbetrieb mit max. 5 Angestellten)

 

Herr Flückiger, hatten Sie bereits Bühnenerfahrung?
Nein. Ich hatte mich mal als Gewerbe- und Bauschullehrer versucht – mit mässigem Erfolg vor dem «Publikum»: Ich war zu jung und vor allem zu unsicher.  

Was hat Sie gereizt, beim Theaterstück BAUSTELLE mitzumachen?
Anfänglich hat mich wohl am meisten die Entstehung eines solchen Stücks interessiert. Wichtig war sicherlich auch meine «Rückkehr» nach Aarau. Ich hatte früher ein paar Jahre dort gearbeitet – das Städtchen und dessen Grösse passten mir. Das Musikstück «I love Paris» von Cole Porter in der Version von Helen Merrill und Gordon Beck (Paris kann hier mit Aarau ersetzt werden) beschreibt dies wohl am schönsten. Und mit der Zeit merkte ich, dass dieses Theaterstück für mich eine wunderbare Möglichkeit ist, mich vom Berufsleben und auch von vielen Freunden und Bekannten (mit oder ohne Bezug zum Bau) zu verabschieden. Ganz nach dem Motto: «Schreiben Sie ihren Nachruf, bevor es andere tun» (von Gregor Eisenhauer). Das Theater bot hierfür eine wunderbare Möglichkeit. Ich fand das besser als ein übliches Fress- und Saufgelage zum Abschied.

Lustig war der Beginn des Ganzen: Ich hatte mir das Figurentheater «Mit der Zeit muss man gehen» (DAKAR-Produktion, Zürich) angesehen und hatte den Flyer zum Stück BAUSTELLE mitgenommen.  Ich schrieb dann einfach eine Mail an Projektleiter Jonas Egloff. Irgendetwas – eigentlich hatte ich nur ein bisschen meine Meinung zum Thema Bau kundtun wollen. Mir kam dabei nicht der geringste Gedanke in den Sinn, beim Theaterstück mitzumachen. Jonas rief dann aber am nächsten Tag an – und so beganns…

Was war für Sie dabei die grösste Herausforderung?
Der «drohende» Auftritt natürlich. Bei meiner Zusage schrieb ich: «Bin nicht bühnentauglich!». Antwort von Jonas Egloff: «Das kriegen wir hin…»

Haben Sie persönliche Ideen bei der Erarbeitung des Stückes eingebracht?
Ja, denn alle Texte basieren auf den Interviews von Jonas Egloff mit uns Spielern. Um ein Beispiel zu nennen (kommt aber im Stück so nicht mehr vor): Im Interview sagte Oliver: «Der Treppenbau ist die Königsdisziplin des Zimmerhandwerks». Ich hingegen meinte in einem Interview: «Wen interessiert denn sowas?» Nebeneinandergestellt werden die beiden Sätze zum Dialog. So entwickelte sich das Stück.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Handwerkern erlebt?
Am Anfang war ich mir dessen zu wenig bewusst: Auf dem Bau ist es möglich, einen Arbeiter zu ersetzten, auch wenns manchmal zwei dafür braucht. Manchmal reicht aber auch ein «halber». Bei diesem Stück ging das nicht – es steht und fällt mit jedem Einzelnen und funktioniert nur durch das Miteinander.

Könnten Sie sich vorstellen, auch künftig als (Laien-) Schauspieler auf der Bühne zu stehen?
Ein Stück über Geld hätte mich interessiert. Dafür hätte ich nochmals «den Arsch zusammengekniffen». Die Auseinandersetzung mit Bänkern wäre mir die Zeit wert.


 

Name: Oliver Wetzel
Alter: 31 Jahre
Geburtsort: Baden (AG)
Werdegang: Zimmermann, Holzbautechniker, Berufsschullehrer Zimmerleute EFZ
Betrieb: Peterhans, Schibli & Co. (peterhans-schibli.ch)

 

Herr Wetzel, hatten Sie bereits Bühnenerfahrung?
Als ich etwa sieben Jahre alt war, spielte ich in einem Jungschar-Theater einen italienischen Gigolo-Pfarrer mit nach hinten gegeltem Haar. Und in der Primarschule hatte ich mal mit meiner Klasse das Stück «Weit übers Meer» aufgeführt. Ich war einer der zwei Wellenschwinger. Unser Job bestand darin, ein grosses, langes Tuch in harmonischer Gleichmässigkeit hoch und runter über die Bühne zu schwingen. Mit mässigem Erfolg. Leider war uns das Tuch während der Aufführungen immer wieder aus den Händen geglitten. Unsere Lehrerin ist fast an uns verzweifelt.

Was hat Sie gereizt, beim Theaterstück BAUSTELLE mitzumachen?
Zum einen die Chance, es dieses Mal besser zu machen. Zum anderen aber auch die Möglichkeit, neues Potenzial in mir zu entdecken. Das Thema des Theaterstücks war ja auf mich und meine Kollegen zugeschnitten.

Was waren für Sie dabei die grössten Herausforderungen?
Den Text auswendig zu lernen, die theatrale Sprache, den Rhythmus beim Dialog zu halten, authentisch zu bleiben und nicht zu «spielen».

Haben Sie persönliche Ideen bei der Erarbeitung des Stückes eingebracht?
Ja, einige! Unsere Texte basieren ja alle auf unseren Interviews. Wir wurden angehalten, die von der Regie daraus entwickelten Dialoge ebenfalls mitzugestalten. Mein spontanes Tänzchen mit der Suva-Unfallpuppe hat uns dazu inspiriert, die Puppe noch mehr ins Stück zu integieren. Und zu allem gibt es auch musikalische Begleitungen mit Gitarre und Gesang.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Handwerkern erlebt?
Wir gingen alle durch einen langen Lernprozess – wir waren ja alle absolute Anfänger. Unsere Lehrer gaben sich nie mit neunzig Prozent Einsatz zufrieden, sondern verlangten immer Hunderprozent von uns. Es wurde viel gelacht, geschrien, geschwitzt, und nicht selten flossen auch mal Tränen. Dieser emotionale Austausch schweisste uns zusammen.

Könnten Sie sich vorstellen, auch künftig als (Laien-) Schauspieler auf der Bühne zu stehen?
Der Wunsch wäre sicher da. Die Frage ist nur, wie gut ich in neue Rollen eintauchen könnte. Wie gesagt, bei diesem Stück sind das alles unsere eigenen Stories. Wir spielen nichts, sondern zeigen uns von unserer ehrlichsten Seite.

 

 

Name: David Schellenberg
Geburtsort: Winterthur
Werdegang: Zimmermann EFZ
Betrieb: selbstständig seit Juli 2023 (Schellenberg Zimmermann GmbH, Obersiggenthal, AG)

 

Herr Schellenberg, hatten Sie bereits Bühnenerfahrung?
Nein, ich hatte noch keine Erfahrung.

Was hat Sie gereizt, beim Theaterstück BAUSTELLE mitzumachen?
Ich wollte etwas Neues ausprobieren. Das Thema hat mich interessiert, da es mit meinem Berufsstolz zu tun hat. Und ausserdem war das für mich wie ein Männerabend mit meinen Freunden, Oliver Wetzel und Saravana Völlmy.

Was war für Sie dabei die grösste Herausforderung?
Ich hatte am Anfang keine Ahnung, was es bedeutet, in einem Theaterstück mitzumachen und wie viel Aufwand das ist. Meine grösste Herausforderung war das Üben zu Hause, also ausserhalb der Gruppe, und dranzubleiben.  

Haben Sie persönliche Ideen bei der Erarbeitung des Stückes eingebracht?
Ja, beispielsweise die Idee für ein Klavierstück.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Handwerkern erlebt?
Am Anfang war alles eher steif. Bis wir uns näher kennengelernt haben bei Pide und Bier nach der Probe. Danach habe ich die Zusammenarbeit mit den anderen sehr persönlich, emotional, lustig, teamorientiert und ernst erlebt. Es entstand eine enge Verbindung.

Könnten Sie sich vorstellen, auch künftig als (Laien-) Schauspieler auf der Bühne zu stehen?
Ja, mittlerweile könnte ich es mir durchaus vorstellen, nochmals an einem Theaterstück mitzumachen. Aber wieder mit einem Thema, das mich interessiert. Vielleicht eine Fortsetzung von BAUSTELLE…

Was haben Sie von diesem Theaterprobjekt mitgenommen?
Ich habe vieles an mir entdeckt: wie ich mich ausdrücke, mich präsentiere und wie ich wirke. Von Jonas Egloff (Projektleitung und Texte), Benjamin Spinnler und Robert Baranowski (beide Regie) und Lorena Cipriano (Assistenz) wurde ich dabei gut begleitet. Ich nehme neues Wissen und Freundschaften mit – und den Mut, Neues wie meine Selbstständigkeit zu wagen.

 

Zum Artikel «Bühne frei fürs Handwerk» (Printausgabe «WIR HOLZBAUER», 1.24):
wirholzbauer.ch